Qualitätsbeauftragte bekommen in der Regel bei Erwähnung einer Qualitätsnorm, z.B. der Normen-Familie ISO 9000, ein Leuchten in die Augen.
Viele Berufstätige dagegen assoziieren mit Begriffen wie Qualitätsmanagement, Qualitätsplanung oder Qualitätsaudit unnötige, planlose und nervende Bürokratie.
Anforderungen, die auf Basis oder in Anlehnung an eine Norm gestellt werden, werden oft als zu theoretisch, unnötig oder in Praxis und Erfahrung als störend empfunden.
Dass dem nicht so ist, dass die beschriebenen Anforderungen und Methoden, die in einer modernen Norm beschrieben sind, eigentlich aus der Praxis kommen, können vielleicht die folgenden Ausführungen am Beispiel der ISO 9000 verständlich machen.
Die bedeutende Erkenntnis aber, dass der Qualitätsgedanke das gesamte Unternehmen umfasst, hat sich erst allmählich durchgesetzt:
Qualität ist kein Zufall!
Die hohe Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung wird heute als selbstverständlich vorausgesetzt - von einigen Billigprodukten abgesehen. („Qualität“ meint in der Regel die Übereinstimmung von Anspruch und Ergebnis eines Produktions- oder Dienstleistungsprozesses)
Die Frage ist: Wie wird Qualität erreicht?
Noch in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die Qualität der Produkte vielfach durch "Aussuchen" erreicht. Dabei wurden am Ende des Produktionsprozesses fehlerhafte Teile durch mehr oder weniger geeignete Prüfungen ausgesucht. Diese Methode hatte und hat mehrere erhebliche Nachteile:
- Viele Eigenschaften eines Bauteils lassen sich nur durch zerstörende Prüfungen überwachen.
- Jede Prüfung hat eine statistische Basis, insofern muss immer mit einem "Schlupf" fehlerhafter Bauteile gerechnet werden.
- Viele Prüfungen standen am Ende des Produktions- und damit auch am Ende des Wertschöpfungsprozesses.
- Die hohen finanziellen und materiellen Verluste mussten durch den Verkaufspreis aufgefangen werden.
Es drängte sich die Frage auf: Warum werden fehlerhafte Teile überhaupt produziert? Und: Kann man einen Prozess nicht so optimieren, dass Fehler weitgehend vermieden werden?
Diese Fragestellung war bzw. ist nicht neu, aber vor allem ist sie universell. Universell, weil jede Ware oder Dienstleistung, die in einer Folge verschiedener Tätigkeiten geschaffen bzw. erbracht wird, ihre Fehlerursachen im Prozess ihrer Erstellung selbst hat. Fehlervermeidung ist daher der Grundgedanke jeder Qualitätsphilosophie. In einer Produktion bedeutet dies, dass Qualität und Zuverlässigkeit bereits durch Entwicklung und Konstruktion in Produkt und Prozess angelegt sind.
Eine Erkenntnis deren Ursprung weiter zurückliegt als man vielleicht meint.
Es ist wahrscheinlich eine Ironie der Menschheitsgeschichte, dass wesentliche Fortschritte oft durch Kriege erreicht bzw. ausgelöst werden. Das gilt auch für die Qualitätssicherung und das daraus entstandene Qualitätsmanagement.
Bereits in den dreißiger Jahren hatte man in den USA (natürlich aus Kostengründen) konsequent auf die Nutzung statistischer Hilfsmittel zur Sicherung der Produktqualität gesetzt. Besondere Bedeutung erlangte dieser Ansatz im Verlauf des Zweiten Weltkrieges. Die amerikanische Regierung bestand auf eine bedingungslose Qualitätssicherung des gesamten Kriegsmaterials.
Vordenker war der Amerikaner W. Edwards Deming (geb. 14.10.1900 in Iowa). Für Deming war die Statistik das Herz der Qualitätssicherung. Er war davon überzeugt, dass 94 % aller Fehler durch ein unvollkommenes System von ineinandergreifenden Produktionsbedingungen hervorgerufen werden. Er war sicher, dass für dieses System, das den Rahmen für alle Prozesse darstellt, das Management verantwortlich ist. Aus dieser Erkenntnis der Managementverantwortung entstand in den achtziger Jahren die Institution des Qualitätsmanagements.
Demings 14 Regeln zur Qualitätsverbesserung reichen von der „präventiven Sicherung der Qualität“ (z.B. KVP) über „Kooperative Führungsstile und Zielvereinbarungen“ und „Qualifizierungsprogramme“ bis zur „Maßnahmenplanung" (www.bwl-lexikon.de/wiki/total-quality-management-tqm/). Standardwerke wie die ISO Norm 9001 oder die Six-Sigma Methoden haben ihren Ursprung in seinen Arbeiten.
Der universelle Ansatz, das Einbeziehen des gesamten Unternehmens, ist heute unter dem Begriff des "Total Quality Management" (TQM) bekannt.
Was mit TQM gemeint ist, ist in der DIN ISO 8402 wie folgt definiert:
"Eine Führungsmethode einer Organisation, bei welcher Qualität in den Mittelpunkt gestellt wird, welche auf der Mitwirkung aller ihrer Mitglieder beruht und welche auf langfristigen Erfolg durch Zufriedenstellung der Abnehmer und durch Nutzen für die Mitglieder der Organisation und für die Gesellschaft zielt."
Aber zurück zu Deming. Wie häufig gilt der Prophet im eigenen Land nichts. Deming ging 1951 nach Japan. Die Phase des wirtschaftlichen Aufbaus und die japanische Mentalität (das Streben nach Perfektion) waren ein idealer Nährboden für seine Qualitätsphilosophie. Hier entwickelte und realisierte er die Idee der ständigen, systematischen Qualitätsverbesserung. Zusammen mit den gleichzeitigen Arbeiten des in den USA schaffenden Rumänen Joseph M. Juran wurde sowohl die Philosophie der modernen Qualitätssicherung als auch ihre Methodik begründet.
Total Quality Management oder „Continuous Improvement“ sind heute ebenso wie die Hilfswerkzeuge Fishbone-Chart oder Pareto-Chart geläufige Begriffe der Qualitätssicherung bzw. des Qualitätsmanagements. Erst in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts konnte diese Philosophie und Methodik in den USA und dann in Europa Fußfassen.
Deming und seine Qualitätsphilosophie wurden 1980 durch eine Dokumentation der NBC dem Rest der Welt bekannt.
Am Anfang war ...
"Schon 1979 hat das British Standard Institute (BSI) seine Norm BS 5750 für QM-Systeme herausgegeben ... 1987 übernahm dann das International Office of Standardisation (ISO) in Genf die Richtlinien nahezu vollständig und gab sie als ISO 9000-Serie heraus." Winfried Glaap, ISO 9000 leichtgemacht, Hanser Verlag 1996
Seitdem entstand Norm auf Norm: Die EU übernahm 1990 die ISO 9000 in die EN 29000-Normen. Die EN 45000 legte die Richtlinien für die Zertifizierung fest. In der ISO 8402 wurden die Begriffe des Normenwerkes festgelegt. Die ISO 9000 unterteilte sich in ISO 9001, 9002, 9003 und 9004. Es entstanden die Ergänzungen ISO 9000-1, 9000-2 und 9000-4. Wobei sich die ISO 9004 ebenfalls wieder unterteilte.
Insgesamt unterteilt sich die Normenfamilie ISO9000 in die Bereiche:
- ISO 9000 : Grundlagen und Begriffe;
- ISO 9001 : Anforderungen
- ISO 9004 : Leiten und Lenken für den bleibenden Erfolg einzelner Abläufe und der gesamten Organisation
- ISO 9011: Leitfaden für die Auditierung
(gehört nicht im engeren Sinne zur Normenreihe ISO 9000 ff. Hier wird aber die Durchführung von internen Qualitätsaudits gefordert die ein bedeutsames Element einer Qualitätsorganisation sind)
Aktuell gilt die Version ISO 9000:2015. Es gibt noch eine Reihe ergänzender Normen, die im konkreten Einzelfall durchaus von Bedeutung sein können.
Die Zielsetzung dieses Beitrag ist der Versuch zu verdeutlichen, dass Qualität als durchdachte Praxis kein Zufall ist, sondern das Ergebnis einer konsequenten, umfassenden Umsetzung des Qualitätsgedankens entsprechend der Unternehmensphilosophie ist.
Über die durch Auditierung überwachten Grundanforderungen an ein zertifiziertes QM-System hinaus, sind einige Grundelemente der praktischen Umsetzung des TQM besonders wichtig:
- Die Analyse interner Abläufe und der Schnittstellen von Abteilungen oder Bereichen sowie zu externen Stellen;
- die Untersuchung des Verhältnisses von Leistungsvermögen des Unternehmens und der Kundenansprüche (QFD);
- die Analyse beobachteter oder möglicher Fehler, z. B. durch FMEA (Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse)
- und empfehlenswert: Die Installation eines Wissensmanagements, das eine Vernetzung der Wissenspotenziale und Wissensinhalte sicherstellt.
Bisher sind die Erläuterungen zum Qualitätsgedanken und zu seiner Geschichte vielleicht noch sehr oder gar zu theoretisch.
Wie tief dieser Gedanke aber auch in unserem praktischen Handeln verwurzelt ist, erkennt man, wenn z.T. unbewusstes Erfahrungswissen erkannt wird.
Wie nahe Vorgaben der Norm an der Praxis sind, können die folgenden Flussdiagramme zeigen. Den, auf den ersten Blick sehr theoretischen und abstrakten Anforderungen, finden wir in unseren alltäglichen Verhaltensweisen wieder.
In der DIN ISO 9001 / Absatz 4.6 wird für den Prozess der Beschaffung vorgegeben:
Deutlicher wird obiges Schema, wenn wir die gleiche Analyse auf einen vergleichbaren Ablauf aus unserem Alltag anwenden:
Unabhängig davon, ob der Betrachter diesen Abläufen zustimmen kann oder nicht, sollte hier erkennbar werden, dass auch scheinbar komplexe Strukturen verständlich werden, wenn man sich derer bewusst wird.
Nun wird wohl niemand auf den Gedanken kommen, seine privaten Aktivitäten in Ablaufdiagrammen darzustellen. Obwohl!!! Wenn wir uns über ein fehlerhaftes Produkt ärgern oder nichts Essbares im Kühlschrank finden, fangen wir schon an, uns zu überlegen, wie wir diesen Umstand in Zukunft vermeiden können. Wir begeben uns gedanklich in eine Fehleranalyse bis wir gefunden haben, was wir ändern sollten, damit der Fehler erst gar nicht mehr auftreten kann.
In einem modernen Unternehmen wird man versuchen, diesen Leidensdruck (es muss erst ein Fehler passieren, ehe man tätig wird) erst gar nicht aufkommen zu lassen. Das Qualitätsmanagement hat die Aufgabe, qualitätsrelevante Prozesse zu analysieren, um sie so einem ständigen Verbesserungsprozess zugänglich zu machen. Dabei ist das bisher Beschriebene zwar der wichtigste, aber nur der erste, oft etwas aufwändige, Schritt. Der anfängliche Aufwand liegt im Wesentlichen in der Dokumentation und Bewertung der internen Abläufe.
Die Analyse der Ist-Abläufe muss dokumentiert werden. Dazu werden Ablaufbeschreibung (ggf. mit Ablaufdiagramm) und eine Bewertung der Qualitätsrelevanz und der Funktion erstellt. Anschließend werden Verbesserungspotenzial und Verbesserungsnotwendigkeit festgestellt und ggf. Verbesserungsmaßnahmen eingeleitet.
In der Praxis empfiehlt sich das standardisierte Verfahren der Fehler-Möglichkeits- und Einfluss-Analyse zur Anwendung (FMEA). Aber auch andere, sog. Management-Tools sind je nach Anwendungsfall sinnvoll.
Erst mit einer aktuellen Dokumentation und Bewertung ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) möglich und sind Fehleranalysen sinnvoll und wirksam.