Verfahren
Glühprozesse
Glühprozesse umfassen eine Wärmebehandlung an metallischen Werkstücken (u.a. Draht) zur Optimierung der inneren Gefügestruktur. Diese soll zur weiteren Verarbeitung vorbereitet werden. Man unterscheidet dabei zwischen mehreren unterschiedlichen Glühverfahren mit unterschiedlichen Parametern. Ihnen allen ist gemeinsam der Ablauf, beginnend mit langsamer Erwärmung vor dem Glühen und dem langsamen Abkühlen nach dem Glühen (im Gegensatz dazu: Abschrecken).
Die wichtigsten Glühverfahren sind:
- Diffusionsglühen,
- Weichglühen,
- Normalglühen,
- Rekristallisationsglühen,
- Spannungsarmglühen.
Diffusionsglühen
Das Diffusionsglühen (Homogenisierungsglühen, Ausgleichsglühen) ist eine Art der Wärmebehandlung von metallischen Werkstoffen und dient zur Verminderung von Konzentrationsunterschieden im Material. Durch Diffusionsglühen lassen sich vor allem Gefügeinhomogenitäten in den einzelnen Kristallen (Mikroseigerung) vermindern. [1] Inhomogenitäten über größere Diffusionswege lassen sich nicht beseitigen.
[1] Seigerung: Entmischungen einer Schmelze bei der Metallherstellung. Beim Übergang Schmelze/Festkörper werden durch unterschiedliche Dichten der Legierungselemente unterschiedliche Zusammensetzungen mit verschiedenen Werkstoffeigenschaften erzeugt.
Weichglühen
Weichglühen ist ein Verfahren der Wärmebehandlung von Metallen, bei dem durch Wärmeeinkopplung die Verformbarkeit oder andere Materialeigenschaften verändert werden. Das Weichglühen verringert die Härte und erleichtert dadurch weitere Verarbeitungsschritte wie Walzen, Drahtziehen oder Stanzen. Die Bildung von Rissen oder Brüchen wird somit vermieden.
Normalglühen
Wenn das Gefüge eines Metalls ein ungleichmäßiges oder grobes Gefüge aufweist, wird durch das Normalglühen eine völlige Neubildung des Korngefüges mit gleichmäßigen, feinen Körnern ermöglicht. Feine rundliche Körner führen im Allgemeinen zu besseren Festigkeits- und Dehnungswerten im Vergleich zu großen Körnern. Ein einheitliches Gefüge über den gesamten Werkstoff ist wünschenswert, somit können die Festigkeitsansprüche über die gesamte Geometrie realisiert werden. Ein homogenes Gefüge zu erzielen, erfordert hohe Ansprüche, da die Temperaturbedingungen innerhalb des Materials variabel sind.
Rekristallisationsglühen
Rekristallisationsglühen beschreibt ein Glühen ohne Phasenänderung. Dieses Verfahren wird meist (ggf. zwischen) bei definierten Umformungsstufen beim Kaltziehen und –walzen angewandt. Durch Kaltumformung (Ziehen, Walzen, Pressen) wird das Gefüge von Metallen in der Umformungsrichtung gestreckt, die Festigkeit steigt an. Die Verformbarkeit nimmt jedoch ab, da die Kaltverfestigung nur noch reduzierte plastische Verformungen des Materials zulässt. Nach einem bestimmten Verformungsgrad [1] (werkstoffabhängig) muss ein Rekristallisationsglühen durchgeführt werden, um einen homogenen Gefügezustand zu erzeugen.
Zwischen dem Umformungsgrad und der minimalen Rekristallisationstemperatur wurde ein allgemeiner Zusammenhang ermittelt. Eine Faustregel beschreibt diesen für technisch reine Metalle und nach erfolgter Kaltumformung angenähert:
TR ≈ 0,42 · TS
TR: Rekristallisationstemperatur
TS: Schmelztemperatur
Die errechneten Rekristallisationstemperaturen geben den untersten Temperaturwert an, bei dem der Prozess theoretisch starten kann. Allerdings ändert sich die Temperatur je nach Verformungsgrad und die „Faustformel“ stellt nur einen Richtwert dar.
Bei einem geringen Umformgrad sind im Metall nur wenig stark gestörte Stellenvorhanden, die zur Rekristallisation befähigt sind. Die sich beim Rekristallisationsglühen an diesen Stellen bildenden Kristallite wachsen, ohne sich gegenseitig wesentlich zu behindern. Dabei entstehen oftmals erheblich große Körner. In einem stark umgeformten Metall dagegen sind viel mehr stark gestörte Strukturbereiche vorhanden, dadurch entstehen zahlreiche Keime, die zu Kristalliten anwachsen, sich aber im weiteren Wachstum behindern.
Neben dem Umformgrad ist die Rekristallisation von der Höhe der Glühtemperatur, der Zeitdauer des Glühens und der Abkühlgeschwindigkeit nach dem Glühen abhängig. Mit steigender Temperatur nimmt die Korngröße ebenfalls zu. Eine verlängerte Glühzeit bewirkt ebenfalls eine Kornvergrößerung und eine dem Glühen nachfolgende langsame Abkühlung wirkt ähnlich wie eine verlängerte Glühzeit und führt zur Grobkornbildung.
[1] Verhältnis Ausgangsquerschnitt zu Endquerschnitt
Spannungsarmglühen
Ziel des Spannungsarmglühens ist die Verminderung innerer Spannungen von Drähten, ohne dass die Eigenschaften wesentlich verändert werden. Spannungen können als Folge einer Kaltverformung, einer ungleichmäßigen Abkühlung oder stattgefundener Phasenumwandlungen entstehen. Die Überlagerung innerer Spannungen kann letztendlich zum Materialbruch führen. Das Spannungsarmglühen erfolgt bei relativ niedrigen Temperaturen (Stahl: 550-650°C) mit anschließendem, langsamen Abkühlen. Das im Material hervorgerufene plastische Fließen entsprechend den Spannungen führt zum Abbau von diesen.