Untersuchung der Elektromigration (EM) in Feindrähten
Wo immer in der Elektrotechnik/Elektronik Feindrähte bzw. Feinstdrähte (Feindraht: 50 µm ≤ D ≤ 150 µm; Feinstdraht: 25 µm ≤ D ≤ 50 µm) eingesetzt werden, dienen sie in der Regel als elektrische Leiter. Je nach Anwendung werden Feindrähte aus Metallen wie Cu, Ag, Al,…. oder aus Materialkompositionen z.B. Legierungen oder mit metallischen Beschichtungen eingesetzt.
In einer Applikation können Alterungsprozesse (z.B. durch Diffusion bei Materialkombinationen) bedingt durch Umgebungswärme oder verschiedener Strombelastungen des Leiters, einen Einfluss auf den Grad des Alterungsprozesses und damit auf die Lebensdauer des Leiters haben.
Besonders Ströme nahe an der Grenze der Strombelastbarkeit des Drahtes führen zu signifikanten Temperaturerhöhungen des Leiters, die dann die Ursache für eine starke und schnell fortschreitende Alterung sind.
Alterung führt aber i.d.R. immer zu einer Reduktion der Grenzbelastbarkeit des Drahtes.
Diese Reduzierung kann, je nach Drahtbeschaffenheit, besonders bei Schmelzsicherungen zu folgenreichen Frühausfällen führen.
Mit besonderen Testverfahren werden daher die Auswirkungen einer, vornehmlich thermisch bedingten, Alterung durch definierte Belastungen untersucht. Verfahren, wie sie für Geräteschutzsicherungen z.B. in der Norm IEC 60127-1/9.6 vorgesehen sind, ermitteln die Änderung des Leiterwiderstands (Je höher der Widerstand des Leiters desto kleiner seine Strombelastbarkeit) mit geeigneten, dem Leiter angepassten pulsförmigen Strömen. Sie führen in der Regel, wg. der Material-Erwärmung durch die gewählten Pulsfolgen, bereits zu einer messbaren Alterung des Drahtes.
Im Ergebnis sind irreversible Widerstandserhöhungen mit max. R∆ < 10 % noch zulässig.
Die thermische Alterung durch „Pulsströme“
Die, für eine Erwärmung des Drahtes verwendeten Effektivströme werden durch die Abstimmung von Stromamplituden, Pulsdauer oder Pausenzeiten erreicht.
Ermittelt wird der optimale Effektivwert des Stroms einer Pulsfolge nach:
In der Regel werden Testreihen mit Effektivströmen durchgeführt die nahe an der Grenzbelastung des zu untersuchenden Feindrahtes liegen. Dabei werden die Art der Montage und die Umgebungsbedingungen in den Normvorgaben festgelegt.
In den Versuchen wurde ein Feindraht mit Kupferkern von Φ=0,1 mm verwendet. Dieser findet z.B. Anwendung als Schmelzelement in einer Geräteschutzsicherung mit einem Nennstrom von IN≈2 A. Sowohl im Diagramm als auch im eingefügte Oszillogramm ist die Wärmeakkumulation einer Pulsfolge kurz vor dem Durchschmelzen deutlich sichtbar. Obwohl die gewählte Stromamplitude von 2,25 A mit einem Effektivwert von 1,98 A rel. gering ist, wird der Schmelzeiterdraht deutlich erwärmt.
Sowohl die Widerstandserhöhung durch Erwärmung (U∆≈R∆) während der Stromflusszeit als auch die Wärmeakkumulation über mehrere Pulse sind deutlich erkennbar. Die Widerstandsänderung des vollständigen Belastungsverlaufs des Versuchsdrahtes mit dem eingestellten Effektivwert eines Pulsstroms ist im folgenden Diagramm dargestellt.
Die Alterung durch „Elektromigration“
Pulsförmige Ströme sind in der modernen Elektronik in vielen Bereichen zunehmend präsent. Sie kommen z.B. bei Batterie-Ladevorgängen oder der Ansteuerung von LED Leuchtmitteln zum Einsatz.
Drähte werden dabei mit hohen Pulströmen belastet. Die sehr kurze Pulsdauer führt dabei jedoch, trotz hoher Stromspitzen, nicht zum „Schmelzen“ des Drahtes.
Mit zunehmender Höhe der Stromamplituden und längeren Pausenzeiten werden aber bei Feindrähten Effekte wirksam, die bereits bei Dick- und Dünnschichtleitern bestens bekannt sind.
Hohe Stromamplituden führen zu Stromdichten im Leiter, die durch Elektromigration (z.B. mech. Stress) zu einer vorzeitigen Unterbrechung des Leiters führen können.
In Vorversuchen konnte der Effekt an Kupferdrähten nachgewiesen werden. (Elektromigration beschreibt einen gerichteten Materialtransport in einem festen Leiter, der durch elektrischen Strom verursacht wird. Häufig führen hohe Stromdichten wie sie bei Pulsströmen oder erhöhten, punktuellen Verlustleistungen insbesondere bei Schmelzleitern mit Engstellen, vorkommen, zu starken Migrationseffekten.)
Entsprechend den vorangegangenen Versuchen zur thermischen Alterung wurde der gleiche Feindraht mit einem Pulsstrom belastet. Im Versuch lag der Effektivwert der Pulsstrombelastung deutlich unter der Nennbelastbarkeit des Drahtes, bei Ieff =0,46 A. Eine verwendete Testpulsfolge ist im kleinen Bild des Diagramms dargestellt. Die Höhe der Pulsamplitude von I=4A führt aber zu einer höheren Stromdichte im Draht von 510 A/mm2.
Der im Diagramm gezeigte Belastungsverlauf des Draht-Prüfmusters zeigt erwärmungsbedingt keine signifikante Widerstandsänderung.
Da die Stromdichte in diesem Fall (510 A/mm²) sehr hoch ist, ist die Unterbrechung des Feindrahtes vornehmlich der Elektromigration zuzuordnen.
Erkennbar wird das oft auch an den Draht-Trennstellen die augenscheinlich eher auf einen Bruch, als auf ein Abschmelzen schließen lassen.
Der Grenzwert einer sicheren Stromdichte muss für den Draht, je nach Material nicht immer individuell ermittelt werden. Aber, wie bei der Drahterwärmung wirken verschiedene Geometrien der Verlegung oder Belastungsbedingungen auch auf die Wirkung der Stromdichte ein. So sinkt z.B. der Grenzwert der kritischen Stromdichte bei erwärmten Drähten deutlich.
Zusätzlich können im Verarbeitungsprozess entstandene Durchmesserreduzierungen (z.B. an den Austrittstellen des Drahtes aus dem Lot oder durch Längendehnung) zu einer lokalen Erhöhung der Stromdichte und der dort folgenden Zerstörung des Drahtes, bereits bei geringen Belastungen führen.
FAZIT
Die in den Diagrammen gezeigten Versuchsergebnisse weisen auf zwei unterschiedliche Alterungsvorgänge hin, die sich im Grenzfall der Praxis auch addieren können.
Während die temperaturbedingte Alterung eher von anderen Bauteilen bekannt ist, wird im zweiten Diagramm gezeigt, dass auch geringe Effektivströme, die nicht zu einer signifikanten, grenzwertigen Erwärmung eines Feindrahtes führen, auf Grund hoher Puls-Stromdichten stark altern können.
Diese Effekte der Elektromigration in Drähten mit z.T. sehr geringen Querschnitten sind im Diagramm deutlich nachweisbar. Elektromigration ist damit ein signifikanter Beitrag zur Alterung von Feindraht-Leitern.
Im Allgemeinen geht man z.B. für Kupfer von einer kritischen Stromdichte von 300-400 A/mm2 aus. Bei höheren Stromdichten ist mit Effekten der Elektromigration zu rechnen, auch wenn die jeweiligen Effektivströme rel. niedrig, aber die Pulsamplituden der einzelnen Pulse sehr hoch sind.
Der jeweilige Grenzwert der Stromdichte ist dabei allerdings noch von vielen weiteren Parametern (z.B. Temperatur, Geometrie,….) abhängig.
Die, für den in der Versuchsreihe verwendeten Draht mit Kupferkern, gefundenen Ergebnisse treffen nicht auf alle Drahtmaterialien gleichermaßen zu, da z.B. für Widerstandsmaterialien auch Legierungen aus verschiedenen Materialien verwendet werden.
Aber:
Bei der Verwendung von Fein- oder Feinstdrähten in elektrischen/elektronischen Schaltungen oder Bauteilen sollte ggf neben dem Effektivstrom immer auch die Stromdichte im Draht berücksichtigt werden.
Eine allgemeingültige, abschließende Anleitung zur Draht-Auswahl lässt sich jedoch, wegen der vielen Varianten der Materialien und der Durchmesser, nicht geben.
Somit ist sicherlich eine Beratung im konkreten Anwendungsfall durch die Fachleute Ihres gewählten Herstellers angeraten.